Eier zum Osterfest, die gehören dazu, die müssen einfach sein. Oder? Ich für mich kann diese Frage mittlerweile klar verneinen. Gleichzeitig verstehe ich Menschen, die im ersten Moment „Na klar!“ sagen und mit Tradition argumentieren. Denn hier spielen stark verwurzelte Denk- und Verhaltensweisen eine Rolle, die nur schwer verändert oder gar abgeschafft werden können. Die Weihnachtsgans, Omas Königberger Klopse oder eben die gekochten Eier zu Ostern. Alles super, alles Mist.
Aber von vorn. Diesen Beitrag wollte ich schreiben, seit ich „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer gelesen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich bereits einige Jahre vegetarisch und zum großen Teil vegan ernährt. Obwohl das Thema also nicht neu für mich war, war das Buch keine leichte Kost und hat mich an vielen Stellen zum Nachdenken gebracht. Ein Aspekt, der mich lange beschäftigt hat, weil ich mich in meinem persönlichen Umfeld immer wieder damit konfrontiert gesehen habe, ist das Zubereiten und Essen von Speisen aus traditionellen Gründen.
Ich bin mit einer ganzen Reihe Traditionen aufgewachsen. Und ich mag Traditionen. Sie lösen in mir so ein wohliges Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit aus. Vermutlich, weil immer betont wurde, sie seien etwas Gutes, etwas Wichtiges, das beibehalten und weitergegeben werden muss. Und dem stimme ich eigentlich auch zu. Rezepte sind so etwas Traditionelles – und in diesem Blog geht es ja im Grunde genau darum: Speisen weiterzugeben, die tief in einer „Kultur“ verankert sind. Rezepte, die Menschen mit Heimat verbinden, vielleicht sogar Teil ihrer Identität sind.
Geschichten über Essen sind Geschichten über uns, schreibt Jonathan Safran Foer. Wie meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sich ernährt haben und was sie an Feiertagen gekocht haben, ist natürlich Teil meiner Familiengeschichte. Dabei haben sich bestimmte Speisen nur etabliert, weil sie aus Zutaten bestehen, die es eben gab. Andere, zum Beispiel an Feiertagen, sind vielleicht entstanden, weil sie besonders aufwendig oder kostbar (teuer und selten) waren und das Fest auf diese Weise gewürdigt wurde. Das sind Gründe, die heute zum Teil nicht mehr gelten. Ich koche den Eintopf nicht so, weil ich keine andere Wahl habe, sondern weil ihn meine Oma schon so gemacht hat. An Ostern essen wir bunte Eier, weil wir das immer so gemacht haben. Keine Argumentation, die zwangsläufig zur Verbesserung einer Situation beiträgt. Aber genau die brauchen wir.
Wir können nicht so weiterleben, -konsumieren, -essen, wie wir es gerade tun. Zumindest nicht, wenn uns etwas am Wohl der Tiere liegt, an der Umwelt und dem Klima. In Deutschland töten wir jedes Jahr knapp 800.000.000 Tiere. 800 Millionen. Letztes Jahr wurden über 45 Millionen männliche Küken geschreddert (ein Plus von 3 Millionen im Vergleich zum Vorjahr!). Das kann doch niemand unterstützen wollen. Und doch tut es ein Großteil der Gesellschaft durch den Kauf von Eiern, Milch, Fleisch. Warum? Das haben wir schon immer so gemacht? Sorry, nein. Und auch wenn, ist das keine Rechtfertigung für den Konsum von Tieren, für die Folgen der Massentierhaltung. Mittlerweile sollten wir alle begriffen haben, dass die Klimakrise und die enormen Schäden, die damit einhergehen, zu einem erheblichen Teil auf die sogenannte Intensivhaltung von Tieren zurückzuführen ist. Mit jedem Kauf eines tierischen Produkts kurbeln wir diese Industrie an.
Dabei brauchen wir diese Produkte überhaupt nicht. Wir können uns (zum Glück immer einfacher) ausgewogen pflanzlich ernähren. Wenn ich mit Käse auf meinem Brot frühstücken will, kann ich veganen Käse kaufen. Ich kann meinen Kaffee mit Hafer-, Soja-, Mandel- oder Reismilch trinken und mir von mir aus sogar eine vegane Currywurst braten. Ich kann frei entscheiden, welche Lebensmittel ich kaufe und welche Speisen ich in meinem Haushalt zubereite. (Achtung, mir ist durchaus bewusst, dass ich als privilegierte, Geld verdienende Person in einer deutschen, europäischen Großstadt spreche.)
„Aber die Ostereier kann ich nicht einfach so ersetzen.“ Stimmt, genauso wenig wie die Weihnachtsgans. Während das im eigenen Single-Haushalt vielleicht kein Thema ist, kommen an Feiertagen Familien zusammen. Wir stehen mit Menschen in einer Beziehung, die möglichst unbeschadet bleiben soll. Da die Entscheidung gegen tierische Produkte unsere Lieben vielleicht verletzen könnte, fällt sie sicherlich nicht leicht. Sie ist aber auch an Ostern und Weihnachten wichtig und notwendig, wenn wir etwas verändern wollen. Es ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern eine der Verantwortung. Wenn Geschichten über Essen Geschichten über uns sind, dann können wir diese Geschichten selbst schreiben und verändern. Es liegt an uns, ob und wie wir sie wandeln und an unsere Familien und Freund*innen weitergeben.
Bei Foer gibt es an Thanksgiving keinen Truthahn mehr, bei mir gibt es dieses Wochenende keine Eier. Ist Ostern damit weniger schön? Nein, im Gegenteil. Während ich mich aktiv dazu entscheide, die Massenhaltung und -tötung von Hühnern nicht zu unterstützen, backe ich Osterplätzchen und einen Hefezopf – ohne Eier, Butter und Co. Es ist allerhöchste Zeit, moralisch und verantwortungsvoll zu handeln. Natürlich im Alltag und ja, auch an Feiertagen.
Hallo,
Mir gefällt dein Schreibstil und natürlich der Inhalt deiner Beiträge extrem gut! Vielen Dank für die schönen Anregungen!
Danke, liebe Angelika, das freut mich sehr! 🙂
Liebe Grüße, Alex
Einz ist sicher: du zwingst uns zum Nachdenken. Und das ist gut so!
Ich persönlich bin mit Traditionen groß geworden und habe versucht diese weiter zugeben. Für mich ist dass wichtig!
Früher habem Menschen und Tiere zusammen gelebt und einander respektiert.
Jeder hatte edwas von der anderen.
Natürlich bin ich kein Freund von der Massentierhaltung und kann ich dich verstehen wenn du meinst, keine Tier wird wegen meine Nahrung getötet.
Aber als 90 % Vegetarier esse ich ab und zu ein Ei oder ein Würstchen mit die Hoffnung, die waren von glückliche Tiere!
Massentierhaltung ist schrecklich. Aber eigene Hühner zu halten ist relativ einfach und ergiebig. Und ich sehe es nicht als Ausbeutung, sondern als Symbiose. Auch wenn Hühner frei auf dem Grundstück rumlaufen dürfen, bleiben sie gerne bei ihren „Besitzern“, mit denen sie übrigens gerne interagieren. Tierprodukte und Tiere zu essen ist nicht reine Tradition. Auch unsere Vorfahren haben bestimmt nicht grundlos Tiere mit höherem Futterverbrauch gehalten, sondern nur, weil sich das über Generationen hinweg langfristig als notwendig für die Gesundheit ihrer Nachkommen erwiesen hat. Wer selbst seine Nahrung produziert, versteht die natürlichen Kreisläufe und respektiert sie. Nachhaltiger Tierkonsum ist möglich, wenn wie früher jedes Teil des Tiere verwendet würde inkl. Blut, Knochen, Innereien, Füße. Viele Grüße von jemandem, der 10 vegetarisch-veganen Jahren städtisches Leben hinter sich hat und erst im
Hallo Ludwina,
danke für deinen Kommentar!
Ich sehe auch einen Unterschied zwischen der Massentierhaltung und dem Halten von ein paar Hühnern – auch wenn ich mir zu letzterem noch keine finale Meinung gebildet habe. Wenn ich ein Huhn halte, weil ich es mag und ihm auch etwas geben möchte, damit wir beide etwas davon haben (so wie ich es vielleicht bei Hund und Katze tue), dann möchte ich es sicher nicht töten oder essen. Ich finde es auch super, wenn ich die Möglichkeit habe, meine Nahrung selbst zu produzieren. Diese Nahrung bestünde dann allerdings nicht aus Tieren, sondern Pflanzen. Ich, und das ist meine persönliche Empfindung, möchte nichts „produzieren“, das fühlt und Emotionen hat und im Endeffekt nur dem Zweck dient, dass ich es esse – solange ich es nicht zum Überleben brauche.
Aber ja, ich sehe die Haltung auf dem eigenen kleinen Hof nicht als das große Problem, sondern die schwerwiegendere Massentierhaltung, aus der der Großteil der tierischen Produkte im Supermarkt kommt. Für diese sollte zunächst ein Bewusstsein geschaffen werden, denke ich.
Viele Grüße
Alex
Und das noch: auf die Frage „muss das sein“ eindeutig JA!!!! Die Frage ist nicht ob man das muss, sondern ob man das möchte.
Das sehe ich tatsächlich anders, siehe meine Antwort unten.
Hallo, das schreibst Du genau richtig. Gilt aber auch für andere! „Ich kann frei entscheiden, welche Lebensmittel ich kaufe und welche Speisen ich in meinem Haushalt zubereite“. Denk mal darüber nach, bevor hier verurteilt wird. MfG Hartmut
Hallo Hartmut,
ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Ich schreibe aus meiner Perspektive und betone, dass ich die Frage „Müssen Ostereier sein?“ für mich persönlich verneine. Ich verurteile nicht, aber weise darauf hin, dass es – wenn wir uns die aktuellen Umstände anschauen – nicht mehr nur darum gehen kann, ob wir etwas gerne möchten, sondern mit unseren Entscheidungen auch Verantwortung tragen. Wenn sich jemand aus traditionellen oder anderen Gründen dennoch für tierische Produkte entscheidet, dann muss ich das akzeptieren, ganz klar.
Wenn ich etwas falsch verstanden habe, klär mich gerne auf 🙂
Liebe Grüße
Alex
Ostereier aus Schokolade sind auch ok.