Hallo ihr Lieben,
da bin ich wieder. Ausgeruht, erholt, mit vielen neuen (und bekannten) Eindrücken. Anfang August bin ich ins Baltikum gereist, und das nicht zum ersten Mal. Einige von euch wissen es vielleicht, weil ich auf dem Blog darüber berichtet habe: Vor ziemlich genau vier Jahren habe ich mein Auslandssemester in Riga, Lettland begonnen. Eine unvergessliche Zeit, die unter anderem durch die wunderschöne Stadt und das mindestens genauso spannende Land beeinflusst wurde. Nach sechs Monaten, in denen ich Riga mein Zuhause nennen konnte, war mir klar, dass ich zurückgehen würde. Und vor zwei Wochen war es endlich soweit. Bevor ich aber weiter auf Riga (und andere baltische Orte) eingehe, geht es in diesem Beitrag erst einmal um meinen Urlaub generell. Ein Plädoyer für langsames Reisen.
Die Sinne schärfen
Was stand fest? Ein Flug nach Vilnius und ein Rückflug aus Riga. Dazwischen? Zehn Tage mit allem Möglichen außer einem festen Plan. Ich hatte das dringende Bedürfnis danach, mich treiben zu lassen und von keinen Terminen oder anderen Vereinbarungen abhängig zu sein (hundertprozentig ging das natürlich nicht, sonst hätte ich mich für einen einsamen Camping-Urlaub in der Natur entscheiden müssen – der kommt ein andermal). Also habe ich mich im Vorfeld nicht großartig informiert oder mir Gedanken gemacht und Unterkünfte spontan vor Ort gebucht. Vielleicht konnte ich aber auch nur so entspannt sein, weil ich die baltischen Staaten bereits besucht und zumindest zu Beginn eine Freundin an der Seite hatte (ein besonders spontaner Mensch bin ich nämlich in der Regel nicht).
In Vilnius war ich ebenfalls vor vier Jahren, allerdings nur für ein Wochenende und mit einem straffen und fest organisierten Programm. Dieses Mal hieß das einzige Programm: das Flair der Stadt aufsaugen, und zwar ganz entspannt und vor allem bewusst. Es gibt sicher gute Gründe, warum touristische Orte touristisch sind und sich ein Besuch dieser lohnt. Aber ebenso gibt es Orte, die keine besondere Bedeutung haben und es dennoch wert sind, dass man sich zu ihnen verläuft. Vielleicht, weil dort jemand aus dem Wohnzimmerfenster heraus hausgemachte Marmelade verkauft oder weil sich dort ein kleines Café befindet oder weil einem einfach ein lächelnder Mensch entgegenkommt. Hält man die Augen offen (und schärft am besten auch alle anderen Sinne) und ist nicht auf ein konkretes Ziel fokussiert, treten manchmal beiläufige Dinge in den Vordergrund. Und diese bringen einen vielleicht sogar auf Gedanken, auf Ideen. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass man sich sehr viel weniger wie ein (Klischee-)Tourist fühlt, der von einer TripAdviser-Empfehlung zur nächsten läuft. Möglich ist das Ganze nur, wenn man sich darauf einlässt und nicht ständig der kontrollierende Blick auf den Stadtplan wandert. Also: Verlauft euch einfach mal.
Hände weg vom Selfiestick
Wie erwähnt, sind Sehenswürdigkeiten meistens zurecht als solche betitelt. Nur bedeutet das für viele Menschen, gezielt zu diesen zu laufen (oder von einem Hop-On-Hop-Off-Bus oder (in Vilnius) der städtischen Bimmelbahn gefahren zu werden) und sie ziemlich halbherzig zu besichtigen. Immer wieder sehe ich Reisende, allein oder in Gruppen, die die Umgebung tatsächlich nur durch ihr Smartphone-Display anschauen. Das Handy ist dabei häufig am Selfiestick befestigt, um direkt Fotos von sich machen zu können, die nächste Instastory zu posten oder sonst etwas zu machen, das ganz schnell mal inszeniert werden kann. Versteht mich nicht falsch, auch ich bin mit dem Blog auf Social Media aktiv vertreten und sicher kein Paradebeispiel für bewusstes Leben, aber es kommt mir so vor, als hätten manche Menschen den Bezug zum Realen verloren. Dabei ist es so wahnsinnig schön, Sehenswürdigkeiten auf uns wirken zu lassen, sie mit eigenen Augen wahrzunehmen, bevor wir die Kamera zücken. Zu realisieren, was einen Ort besonders macht und ihn dadurch viel eher in Erinnerung zu behalten als durch ein Foto, für welches wir nur flüchtig vor Ort waren – nur, um sagen zu können: ‚Guck mal, da war ich‘?
Leider ist es gar nicht so einfach, nicht sofort zum Handy oder zur Kamera zu greifen, weil wir es uns fleißig angeeignet haben, alles mit Freunden, Familie oder der Welt auf der Stelle zu teilen. Ich schließe mich hierbei ein. Gerade deshalb bin ich froh, dass der Gegentrend zunimmt, sich wieder auf sich und den Moment zu besinnen. Für mich ist das ein wichtiges Ziel, insbesondere auch auf Reisen. In Vilnius und Riga war dies dahingehend eine Herausforderung, dass die beiden Hauptstädte mittlerweile sehr touristisch geworden sind und man schnell in den Touri-Sog geraten kann. Im Endeffekt fühlt man sich häufig von Reizen überströmt, die sich kaum verarbeiten lassen, und braucht Urlaub vom Urlaub. Dabei hilft es ab und zu schon, zwei Straßen weiter zu gehen, der überfüllten Hauptpromonade den Rücken zu kehren und aus dem Bauch heraus zu entscheiden, wohin es gehen soll.
Slow Travel
Was ich außerdem empfehlen kann, sind Airbnb- und Couchsurfing-Angebote. Einerseits um mit den vor Ort ansässigen Menschen in Kontakt zu kommen, andererseits um am Ende des Tages in Ruhe ‚zu Hause‘ ankommen zu können und beim selbst zubereiteten Abendessen den Tag Revue passieren zu lassen. Wir zumindest haben uns auf diese Weise heimelig gefühlt – und das ist auf Reisen wirklich schön. Natürlich bieten auch Hostels tolle Möglichkeiten und man trifft auf beeindruckende Solo-Reisende und spannende Geschichten. Zwei Nächte sind wir in Riga in einem liebevoll geführten Gasthaus gelandet, in welchem uns Fahrräder zur Verfügung standen. Und zwar keine fancy Citytour-Bikes, sondern klapprige, in Deutschland sicherlich nicht als verkehrstauglich geltende, aber fahrbare Räder. Diese waren das Beste, was uns zu diesem Zeitpunkt passieren konnte. Wir haben es genossen, durch die Straßen und Vororte zu fahren und die Luft abseits der überlaufenen (und trotzdem sehr schönen) Altstadt einzuatmen.
Neben Vilnius und Riga und der jeweils näheren Umgebung waren wir in einem Nationalpark am Meer, auf litauischen Burgen und Schlössern und an leeren und vollen Stränden der lettischen Ostsee. Alleine habe ich mich dann noch auf den Weg zum breitesten Wasserfall Europas gemacht, um ziemlich genau neben diesem zwei weitere Nächte zu verbringen. Über das ein oder andere berichte ich in den kommenden Wochen noch. Im Endeffekt sind das natürlich viele zu verarbeitende Eindrücke, trotzdem war die Reise für mich eine Art ‚Slow Travel‘. Nicht unter Druck zu stehen, die Umgebung bewusst wahrzunehmen, mit Einheimischen spazieren zu gehen (zufällig passiert in Lettland) und sich ab und an mit einem guten Gefühl zu verlieren, so darf Urlaub gerne öfter sein.
Bis bald, macht es gut!
Danke auch hier für diesen schönen Bericht. Ich überlege auch seit längerem, ob die viele Fotografiererei „sinnvoll“ ist. Ein Freund fragte vor einigen Monaten, vielleicht war es auch schon vor zwei oder drei Jahren…, unmissverständlich: „Was machst du eigentlich mit den vielen Fotos?“ – erst war ich etwas gekränkt ob seiner etwas rau formulierten Frage, je länger ich aber darüber nachdenke… Tatsächlich schaue ich so gut wie nie nochmals (Reise-)Fotos an… Und seither stelle ich fest, dass ich tatsächlich ein bisschen weniger fotografiere und mehr mit den Augen an sich aufnehme und für mich genieße. Vielleicht darf und muss jeder für sich einfach die gesunde Mischung finden, was jedem für sich am wichtigsten erscheint…
Danke für den Gedankenanstoß, viele Grüße
Anni
Eine gute Frage von deinem Freund, die ich mir auch schon einige Male gestellt habe. Die Festplatte füllt sich und dient dabei meistens nur als Lager, in das man gar nicht mehr reinschaut. Fotos sind super und bin total froh, viele Erinnerungen festgehalten zu haben. Aber auch die auf wirklich wesentliche zu reduzieren, das ist schon sinnvoll.
Ich danke Dir für den Kommentar, liebe Anni! Herzliche Grüße!
Super Beitrag, wie immer.
Gut ,dass du deine Träume wahr machst!
Ich werde auch weiter gehen. Nicht nur „lagsam reisen“ sondern „langasam leben“
Genießen, bewusst jeden Moment erleben.
Wo wollen wir den hin?
Liebsten Dank! ♥ Ja, entschleunigt zu leben ist natürlich ein großes Ziel und vermutlich noch schwieriger als entschleunigt Urlaub zu machen, aber das sollte jeder auf seine Weise probieren. Schön, wenn du das schaffst! 🙂
Du hast Recht, aber ich finds auch gar nicht so einfach. Vor allem das knipsen und online bleiben und sich dauern der Welt mitzuteilen … das abzustellen ist echt schwierig. Aber ich versuch es. Wir machen meist ein Mittelding beim Reisen: schauen uns die Sehenswürdigkeiten schon an und lassen uns sonst aber treiben … da entdeckt man oft die besten Dinge ?
Liebe Kathrin, ganz lieben Dank für deinen Kommentar! Ich gebe dir absolut recht, das ist leider nicht so einfach. Ich habe auch das Gefühl, dass es schwieriger ist, sich Sachen abzugewöhnen als anzugewöhnen. Und dann haben wir den Schlamassel, wie z.B. uns ständig mitteilen zu müssen. Euer Mittelding klingt gut und schließt ja zum Glück nicht aus, Sehenswürdgkeiten bewusst zu genießen 🙂
Viele Grüße
Alex
Hi, toller Bericht und gut dieses „langsam reisen“ auch in die Tat umzusetzen. Ich finde, es ist das einzig Wahre um Land und Leute und sich selbst dabei kennen zu lernen.
Weiter so 🙂
Liebe Grüße
Nina
Liebe Nina, vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass dir der Beitrag gefällt. Wahre Worte, die du da schreibst!
Ganz liebe Grüße auch an dich,
Alex
Ich plane meistens auch alles durch, in der Hoffnung, nichts zu verpassen. Aber ich arbeite daran 🙂
Zum Thema Slow Travel kann ich auch das Buch „Slow Travel“ von Dan Kieran empfehlen.
Quark, es heißt „The Idle Traveller“.
Das ist ja lieb, vielen Dank für die Empfehlung! 🙂 Ja, so einfach ist das Ganze nicht, aber hey, step by step 🙂
Deine wunderbaren Bilder und deine Geschichte sind ein guter Grund langsam zu reisen. Wir machen das schon immer so und fühlen uns dabei viel besser, als wenn alles geplant ist, vom Frühstück bis zur Schlafenszeit 😉
Vielen Dank für deine wiedermal lieben Worte, Arno! 🙂 Das ist wirklich schön, dass ihr es schon immer so macht. Ich neige leider dazu, alles ganz schnell zu machen, aber arbeite dagegen. Im Urlaub hat das gut geklappt 🙂
Hab einen schönen Sonntag! 🙂