Kuldiga, Lettland
Hallo zusammen!
Im letzten Beitrag über meine Baltikum-Reise habe ich es bereits erwähnt: Ich war am breitesten Wasserfall Europas. Hätte mich vorher jemand gefragt, wo sich dieser befinden soll, ich hätte keine Antwort gehabt. Genauso wenig hätte ich sagen können, wo die Stadt Kuldiga (auf Deutsch ‚Goldingen‘) liegt oder gar was es dort zu sehen gibt. Ich behaupte jetzt mal, dass es den meisten von euch auch so geht.
Dabei ist das lettische Kuldiga – genau dort befindet sich der besagte Wasserfall – ein wirklich schönes Ausflugsziel. Sicherlich hängt der Bekanntheitsgrad vom Land generell ab. Und Lettland ist im Vergleich wohl nicht das Reiseziel Nummer Eins in Europa. Aber hey, auch das hat Vorteile, vor allem wenn man kein Fan von überfüllten Städten ist. Man muss nur wissen, wie man solche Orte findet. Momentan hat man in den baltischen Staaten meiner Meinung nach noch gute Chancen, diese zu entdecken, wobei auch dort der Tourismus stärker zunimmt. Kuldiga ist so ein Ort zum Entdecken. Und zum Entspannen.
Die Stadt liegt an dem Fluss Venta (auf Deutsch ‚Windau‘), der im nordwestlichen Litauen entspringt und Richtung Norden durch Lettland bis in die Ostsee fließt. Von Riga aus fährt man etwa drei Stunden lang mit dem Bus nach Kuldiga und kann unterwegs in die schöne, flache Landschaft Lettlands eintauchen. In Kuldiga angekommen, benötigt man keine weiteren Verkehrsmittel außer die eigenen Beine. Läuft man vom Busbahnhof in die Innenstadt, fallen schon die hübschen alten Holzhäuser und roten Ziegeldächer auf, für die die Stadt bekannt ist. Ihren Ursprung hat sie im 13. Jahrhundert, das älteste noch erhaltene Haus ist von 1670. Weitere Gebäude aus dem 17. und 18. Jahrhundert befinden sich ebenfalls in der Altstadt.
In einigen leeren Gassen könnte man das Gefühl bekommen, sich in einem verlassenen Dorf zu befinden. Diesen Eindruck ist man allerdings los, wenn man am Rathausplatz steht oder durch die Fußgängerzone schlendert. Vor allem hier wird zwischen Cafés und Boutiquen deutlich, dass Kuldiga für seine überschaubare Größe doch eher touristisch und mit etwa 11.000 Einwohnern sicher auch kein Dorf ist. Ein paar schöne Kirchen schmücken die Stadt, von denen die älteste 1252 erbaut wurde, um die neueste (von 1904) liegt ein niedlicher grüner Garten.
Die beiden Attraktionen aber befinden sich an der Venta. Über den Fluss führt die längste mit dem Auto befahrbare Backsteinbrücke Europas, erbaut 1874. Sie erstreckt sich über sieben Bögen und insgesamt 164 Meter. Mit dieser Brücke und der historischen Altstadt hofft Kuldiga momentan auf die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe. Auf der entsprechenden Vorschlagsliste ist es zumindest schon verzeichnet.
Von der Backsteinbrücke aus blickt man auf Ventas Rumba, den knapp 250 Meter breiten, natürlichen Wasserfall, den ich eingangs erwähnt habe. Da das Wasser an den höchsten Stellen nur knapp zwei Meter tief fällt, ist die Sehenswürdigkeit vielleicht nicht die beeindruckendste. Die Fallhöhe hatte früher jedoch einen entscheidenden Vorteil: Im 17. Jahrhundert kam der clevere Herzog von Kettler auf die Idee, flussaufwärts schwimmende Lachse, die den Wasserfall „hochfliegen“, mit einer Vorrichtung am oberen Ende abzufangen und somit simpel bis zu 100 Fische am Tag zu erhaschen. Gefangen werden sie dort nicht mehr, aber im Herbst kann man wohl noch fliegende Lachse bewundern.
Und auch wenn im Sommer keine Fische fliegen, lohnt sich ein Ausflug bei warmen Temperaturen mindestens genauso. Als ich Anfang August dort war, bin ich für zwei Nächte in einem Gasthaus untergekommen, das direkt am Wasserfall liegt. Den Sonnenuntergang an der Venta beobachten, im Hintergrund Klaviermusik lauschen (denn neben dem Gasthaus steht ein für jeden nutzbares Klavier; siehe Titelbild) und dann mit dem Rauschen des Wasserfalls einschlafen, das hat etwas wunderbar Meditatives. Besonders an den Ausblick aus meinem Zimmerchen hätte ich mich gwöhnen können. Einige Reisende haben sogar ihre Zelte im Garten des Gasthauses aufgebaut. Sicherlich ein noch intensiveres Gefühl von Naturverbundenheit.
Prinzipiell ist ein Tag ausreichend, um Kuldiga ‚gesehen zu haben‘. Möchte man aber vom Alltag runterkommen und entspannen, kann man für ausgiebige Spaziergänge und Wellengeflüster gerne etwas länger bleiben.
I don’t think the title of your article matches the content lol. Just kidding, mainly because I had some doubts after reading the article.
Wie immer sehr informativ, gefuehlsvoll beschrieben!
Danke!
Ich hätte ja auch auf Island getippt beim längsten Wasserfall. Was für eine Überraschung!
Island hat wohl auch wahnsinnig schöne und hohe Wasserfälle zu bieten, aber der höchste Europas ist laut Internet der Krimmler Wasserfall in Österreich, also quasi um die Ecke 😉 Aber ja, der breiteste fließt tatsächlich in Lettland 🙂
Nein, leider noch nicht. Riga möchte ich gerne besuchen, mal schauen wann der richtige Zeitpunkt ist?
Der wird kommen 🙂 Die baltischen Hauptstädte werden immer beliebter, also wahrscheinlich auch immer voller. Aber du kannst es auch mal im Winter versuchen, minus 20 Grad ist auch eine Erfahrung 😛
Ein schöner Ort und durch deine tolle Beschreibung und intensive Wahrnehmung vom Wasserfall und dem Klavier ist er noch schöner geworden
LG Andrea
Liebe Andrea, es freut mich sehr, wenn dir der Beitrag gefällt! 🙂 Warst du schon mal in Lettland?
Viele Grüße. Alex