von Siyana Dimitrova
Ihr wundert euch bestimmt, wie sich das Paradies in Bulgarien befinden kann. Die Sieben Rila Seen im nordwestlichen Teil des Rilagebirges sind eine der beeindruckendsten Natursehenswürdigkeiten – nicht nur in Bulgarien, sonder auf der gesamten Balkanhalbinsel. Obwohl ich in diesem schönen Land geboren bin, machte ich mich erst mit 17 Jahren auf den Weg dort hin. Viele Bergwanderungen habe ich bis jetzt nicht hinter mir. Die Tour im höchsten Gebirge Bulgariens begeisterte mich aber so sehr, dass ich nun jedes Jahr im Sommer etwas Ähnliches unternehme.
Von der Hauptstadt Sofia bis nach Panichishte sind es ungefähr 90 km. Von da kann man entweder zu Fuß oder mit der Drahtseilbahn weiter zum Ziel. Für Anfänger eignet sich der Lift ganz gut. Die, die mehr Energie und Training haben, brauchen nicht länger als eineinhalb Stunden, um die Hütte Rilski Esera (Rila Seen) zu erreichen. Wir, mein Freund Mihail und ich, wollen uns Zeit und Mühe sparen und nehmen den Lift. Nach 45 Minuten sind wir vor der Hütte. Dahinter sehen wir die schöne Landschaft, die ich mein ganzes Leben lang genießen könnte. Es ist schwer, die Seen von hier aus zu sehen, aber die hohen Berge, unter denen das kristallklare Wasser liegt, stehen Wache und schützen das Gebirge und seine Naturschätze.
In einer Höhe von 2100 bis 2500 Metern bleibt man atemlos. Nicht wegen des Luftdrucks, sondern wegen der Schönheit dieses Gebietes. Sieben Seen. Sieben Gaben, die wir unbedingt schützen müssen, damit jeder Mensch auf dieser Welt das Gefühl spüren kann, das ich in diesem Moment habe: Ich bin wirklich im Paradies. Im Paradies der Sieben Rila Seen. Jeder See hat seinen Namen in Abhängigkeit von seiner Form und Besonderheit. Die ersten zwei Seen kann ich fast sehen, wir sind aber noch nicht hoch genug, damit ich schöne Fotos schießen kann. Bald erreichen wir Bubreka (die Niere). Hier ist der Mittagspausenort für die meisten, die diesen sonnigen Tag im Gebirge verbringen wollen.
Nach einer Stunde Pause und einigen Brötchen haben wir wieder Energie, um uns auf den steilen Weg zu den anderen Seen zu machen. Bevor wir den höchstgelegenen See erreichen, gehen wir an dem Okoto (das Auge) vorbei. Mit 37,5 m ist er der tiefste See in Bulgarien. Seine fast perfekt ovale Form beeindruckt alle und man findet kaum Platz, um Fotos zu machen. Neben mir und meinem Freund steht eine Gruppe aus 15 Mann plus Gruppenleiter, der zwischendurch interessante Fakten über die Seen erzählt. Auch wir bleiben fünf Minuten stehen, um die Geschichte des Okoto zu hören. Bei schönem Wetter hat der See eine tiefblaue Farbe. Er wurde sogar von Tauchern zu Forschungszwecken erkundet. „Noch 20 Minuten und es ist geschafft” sagt der Bergführer und ich weiß, dass es um den nächsten See geht.
Ganz oben liegt Sulzata (die Träne). Kristallklares Wasser wie die Tränen eines Mädchens. Sulzata ist der kleinste und mit 2.535 m der höchstgelegene See. Erst hier, von ganz oben, sehe ich, wie viele Menschen heute bei den Seen sind. Von hier aus kann ich alle Seen genießen. Ich habe das Gefühl, vor einem riesigen Bild im Louvre zu stehen, das mir die einzigartige bulgarische Natur zeigt.
Wir müssen bald los, weil der Lift bis 18 Uhr auf hat. Uns ist klar geworden, dass wir an den anderen Seen leider nicht vorbeigehen können. Aber zumindest haben wir alle von ganz oben gesehen und das war schon der Wahnsinn. Unglaublich schön, unglaublich, dass ein solcher Ort überhaupt existiert und dass ich erst mit 17 Jahren da bin.
Vor uns erkennen wir die Wandergruppe von vorhin. Sie haben keine Zeit, der Bus wartet und der Bergführer erzählt schnell über die Besonderheiten der anderen Seen. Wir gehen langsam hinter ihnen her und hören mit. Der vierte See heißt Bliznaka (der Zwilling). Er ist der größte See in der Umgebung. Bliznaka war früher ein breiter, in der Mitte verengter See, und in den wasserarmen Jahren trocknete er zu zwei kleineren Seen aus, die danach fast die gleiche Form bekamen. Noch weiter unten liegen Trilistnika (das Dreiblatt) und Ribnoto Ezero (der Fischsee). „Da befindet sich auch die Berghütte „Sieben Rila-Seen” zeigt der Gruppenleiter. Der tiefstgelegene See ist Dolnoto Ezero (der Untere See) mit 2.095 m Höhe.
Bald ist es geschafft, denken wir, bevor wir die Schlange vor dem Lift sehen. Wir überlegen kurz und entscheiden, zu Fuß zu Panichischte zurückzugehen.
Ich habe Hunger und Durst. Den ganzen Tag haben wir nur Brötchen gegessen und ich brauche unbedingt eine Suppe. Es ist 19.30, aber noch warm genug. Dann schlägt mein Freund vor: „Lass uns einen Tarator essen.” Gute Idee! Wir gehen zu dem ersten Restaurant und lassen den mit traumhaften Eindrücken gefüllten Tag mit Bier, Mastika und einer Schüssel Tarator ausklingen.
Danke Bulgarien! Danke, dass du meine Heimat bist und so eine wunderschöne Natur hast. Und nur deine Küche kann mich nach diesem großartigen Tag satt machen.
Was Tarator ist und warum wir statt des typischen Schnaps’ Mastika bestellt haben, erfahrt ihr hier.
Ein Gedanke zu „Das Paradies liegt in Bulgarien“